Überflüssige Wörter

Eigentlich. Im Grunde. Sozusagen. Ehrlich gesagt: Mich inspirieren die überflüssigen Wörter, denn sie erzählen etwas über die Person, die sie verwendet. Über die gemeinte Aussage hinaus kommunizieren Menschen auch über Halbsätze, abgebrochene Sätze, überflüssige Worte. Die sind also in Wahrheit gar nicht überflüssig. Mindestens ebenso interessant wie der semantische Inhalt einer Aussage ist doch sein performativer Sinn, ist der künstlerische, ästhetische Ausdruck, der damit verbunden ist. Wie eine Aussage verstanden werden kann, das kommt auch immer auf die Situation, den Erzählzusammenhang, den Satzzusammenhang an. 

Für mich als Autor sind überflüssige Wörter willkommenes Material. In meinem „Klartext“ setzte ich die Floskel „Ich sag mal“ so übertrieben ein, dass daraus ein Rhythmus und eine Geschichte entstand. Das war ein Glücksfall, und es gelingt mir nicht mit allem überflüssigen Zeugs, was tagein, tagaus geredet wird, funktionierende Sprechtexte zu komponieren. 

Ich horche auf, wenn ich Floskeln höre. Sicher: Ein literarischer, geschriebener Text, dem dauernd Floskeln unterlaufen, ist einfach schlecht, seine Lektüre unerfreulich. Dessen ungeachtet verraten Floskeln in der gesprochenen Sprache etwas über die Person, die sie äußert. Kolleginnen und Kollegen, Leute im Fernsehen, Politiker, Leute auf der Straße, in Geschäften, auf Partys, auf Vernissagen, bei Buchbesprechungen. Die Floskeln verraten eine Schwäche, eine Distanz oder zu große Nähe zur Sache oder Person, Unsicherheit in einer Situation und so weiter und so weiter, es gibt tausend Möglichkeiten. 

Überflüssige Wörter zeigen einen Sprung, einen Riss in der Fassade, der angestrebten perfekten Erscheinung. Schwäche ist menschlich, erzählt eine Geschichte, lässt weiterdenken, verbreitet ein Flair, stellt Nähe her. Daher meine Begeisterung für die die immer neuen Erfindungen der Unsicherheit, deren Urbild das Stammeln des Verliebten ist.

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